Am Beginn des 1. Weltkrieges
Nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages wurde Deutschland die alleinige Kriegsschuld angelastet. Doch während der Ausbruch des 2. Weltkrieges von Hitler und seinen Parteigängern gezielt provoziert wurde, ist nach heutiger Meinung der Historiker die Schuld am 1. Weltkrieg keinem Land direkt zuzuschreiben. Der deutsche Kaiser Wilhelm II. hat sich zwar in den Konflikten unklug verhalten, den Krieg hat er nicht gewollt. Der damalige englische Ministerpräsident Lloyd George, der selbst einer der handelnden Politiker war, sagte später einmal über die europäischen Staatsmänner, es habe wohl keiner den Krieg gewollt;“ Sie taumelten und stolperten aus Torheit in ihn hinein“.
In den Geschichtsbüchern wird berichtet, sowohl in Deutschland als auch in Frankreich sei die Nachricht vom bevorstehenden Krieg mit Jubel aufgenommen worden. Aus jener Zeit sind aus Körle nur wenige Quellen erhalten geblieben, doch lassen diese erkennen, dass sich die Begeisterung im Dorf sehr in Grenzen hielt. Lehrer und Kantor Heinrich Berge, ein kaisertreuer und sehr national gesonnener Mann, hat in der Schulchronik über die Tage vor dem 1. Weltkrieg Notizen gemacht. Im nachfolgenden Text habe ich diese Aufzeichnungen übernommen:
„Wie über Nacht ist eine ernste schwere Zeit über unser Volk und Land hereingebrochen.
Es ist ein Kampf ohne gleichen den Deutschland heut besteht. Im Juni 1914 wurde der österreichisch – ungarische Thronfolger Erzherzog Franz – Ferdinand und seine Gemahlin durch serbische Verschwörer zu Sarajewo in Bosnien ermordet. Die Untersuchung ergab die Beteiligung hoher serbischer Offiziere und Staatsmänner. Und die Förderung des Verbrechens durch amtliche serbische Stellen.“ Berge beschreibt nun kurz den Ablauf der Ereignisse. Osterreich erklärt Serbien den Krieg, Russland macht mobil, um den Serben beizustehen. Deutschland sieht sich verpflichtet, Österreich – Ungarn zu helfen.. Berge schreibt weiter: „ Am 1. August 1914, nachdem Russland, Belgien, Frankreich mobilisiert haben, veröffentlich der Reichsanzeiger nachstehenden Kaiserlichen Erlass: Ich bestimme hiermit, das deutsche Heer und die kaiserliche Marine kampfbereit aufzustellen! Der 2. August 1914 wird als erster Mobilmachungstag festgesetzt.“
Kantor Berge zitiert jetzt aus der Rede des Kaisers und kommt dann auf die Ereignisse im Dorf:
„Am ersten August um ½ sieben Uhr abends geschah dann die Bekanntmachung in unserem Orte zur Mobilmachung. Am 2. August III. Sonntag nach Trinitatis, ein feierlicher Gottesdienst um 12 Uhr. Gesungen wurde: „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ Predigttext: Psalm 90, 1 – 17, Preislied auf die Allmacht Gottes.. 2. Klagelied auf die Hinfälligkeit des Menschen 3. Bittgebet um des Herrn Gnadenbeistand. Heilig Abendmahl fand statt für die fortziehenden Soldaten. Zwei derselben, die Brüder Georg und Wilhelm Jacob (Söhne des Landwirts Georg Jacob II.) empfigen das hl. Sakrament gleich zu Anfang des Gottesdienstes, weil dieselben um 1 Uhr 20 Min. den Zug benutzen mussten. Es war eine gar ernste und erhebende Feier. Zum Schluss wurde gesungen: „Harre meine Seele“. Als Herr Pfarrer Lins den Segen erteilte, knieten die Abschiednehmenden nieder.“
Am Mittwoch, den 5. August fand ein Betgottesdienst statt. Kantor Berge hebt hervor:“ Die
Collecte ergab den erfreulichen Betrag von 181 Mark und 70 Pfennig.“
Es ist in dem sonst so stillen Dorf unruhig geworden. In der Chronik heißt es weiter:“ Die Militärfahrzeuge fahren immer fort. Gott schirme und schütze die braven Vaterlands- verteidiger! Freitag, des 7. August fuhren Wagen mit Kisten und Paketen hier durch nach Cassel. Ferner kamen eine Anzahl Leute aus der Gegend von Hersfeld durch unsern Ort, um sich in Cassel zum Heer zu stellen. Sie wurden mit Kaffee und Frühstück bewirtet.
Zu der selben Zeit wurde auch ein Auto mit 2 Insassen angehalten. Als der Chauffeur sich weigerte zu halten und sogar eine Pistole zog, traf ihn in demselben Augenblick die Kugel des Soldaten. Der andere Insasse mit dem Erschossenen wurde nach Kassel gebracht.“.
Hier enden leider die Eintragungen von Kantor Berge. Über den Zwischenfall mit dem bewaffneten Chauffeur ist nichts Näheres bekannt. Nach der mündlichen Überlieferung soll sich der Vorfall auf der Nürnberger Straße, dort wo die Straße „Zum Sonnenhang“ abzweigt, ereignet haben.
Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges begann auch für die Menschen in unserer Gegend eine schwere Zeit, und die Folgen des Krieges waren noch weit bis in die Zwanziger Jahre zu spüren.
Verfasst von:
Heinz Rüdiger
1929 - 2019