Archiv Koerle
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Eine Dorfbeschreibung von Landgraf Friedrich I.

Landgraf Friedrich I. von Hessen – Cassel (1730 – 1751) wollte eine solide Grundlage für den Finanzhaushalt seines Landes schaffen. Dabei strebte er zwei Ziele an, es sollte genügend Geld in die Staatskasse fließen, bei der Steuererhebung sollte jedoch auch eine gewisse Steuergerechtigkeit gewährleistet sein. Deshalb ordnete er schon kurz nach seinem Regierungsantritt an, die gesamte Landgrafschaft Hessen – Cassel zu vermessen. Das ganze Land war nicht nur großflächig zu vermessen, jedes Grundstück, jede Parzelle wurde erfasst, steuerlich bewertet und die Ergebnisse in ein „Lager- , Stück- und Steuerbuch“ eingetragen. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wurde für jede Ortschaft ein solches „Buch“ angelegt; jedes Haus, jeder Hof mit den dazu gehörenden Ländereien sind in dem jeweiligen „Dorfbuch“ registriert worden.

Das Lager-, Stück- und Steuerbuch für Empfershausen wurde bereits im Jahre 1743 verfertigt. Ein handschriftliches Exemplar kann im Staatsarchiv zu Marburg eingesehen werden. Die Handschrift beginnt, wie für alle Orte, mit einer gründlichen „Special – Beschreibung“. Nur auf diese Dorfbeschreibung bezieht sich der nachfolgende Text. Wenn die Verständlichkeit nicht zu sehr darunter leidet, behalte ich den Originaltext bei.

Zuerst wird die Lage des Dorfes beschrieben; dabei fällt auf, dass der Verfasser es mit den Himmelsrichtungen nicht ganz genau nimmt. Auch scheint er sich mit dem „Mülmschebach“ nicht ganz auszukennen.

„Dieses Dorf lieget eine Stunde unterhalb der Stadt Milsungen und grenzt gegen Norden eine halbe Stunde von Cörle, gegen Osten eine halbe Stunde von Eyterhagen, gegen Süden an Herrschaftlichen Riedforst und, gegen Westen eine halbe Stunde weit gegen Röhrenforth .

An Fischwasser findet man hierselbst einen Bach, so oben bey Quentel entspringt und durch dieses Dorf und so fort den Wiesengrund hinunter bis bey der Cörler Mühle, alda sich derselbe in die Fulda ergießet, in welchem Allergnädigste Herrschaft Forellen und Krebse fangen läßet.

Und fließet solcher aus der Quellen gleich so bequem, dass derselbe nicht allein die daherunter liegenden Wiesen wässert und in gute Fruchtbarkeit setzet, sondern auch 4 Mahl- und Oleymühlen treibet. Und wird derselbe hiesigen Orths der Mülmschebach, besser oben hinaus aber der Köhrenbach genannt.“

Bei den vier Mühlen handelt es sich um zwei Mahlmühlen in Eiterhagen und die Körler Mühle, sowie eine Ölmühle, die es früher in Empfershausen gegeben hat. Weiterhin wird berichtet, dass keine „Passage“, also keine Landstraße, durch das Dorf führt. Auch gibt es keine „Besondere Beschaffenheit und Umbstände“ und auch keine Herrschaftlichen Güter. Nach „Mineralia wird hierselbst nicht gegraben“.

Die Empfershäuser Kirche besitzt Ackerland und Wiesen, für die keine Steuer entrichtet werden muss. Interessant ist die folgende Information:
“Hiesige Kirche ist ein Filial von Eyterhagen und steht das ius patronatus Gnädigster Herrschaft zu. Und muss der Pfarrer die Wochenpredigt von Michaelis bis Ostern in gleichem das Heilige Abendmahl alhier halten. Die Sonntagspredigt aber müssen sie zu Eyterhagen hören“.

Man geht in Empfershausen allgemein davon aus, dass die heutige, im Jahre 1772 erbaute Kirche keine Vorgängerin hatte. Jedoch zwischen Michaelis und Ostern liegt die kalte Jahreszeit. Wo hat der Pfarrer die Wochenpredigt gehalten und das Heilige Abendmahl gefeiert? Ein Schulhaus gab es zu der Zeit nicht im Dorf. Im Empfershausen stand zu der Zeit auch kein Pfarrhaus. Der Pfarrer, der bekanntlich aus Eiterhagen kam, erhielt neben einer geringen Besoldung folgende „Accidentien“

„Von einem Eheprotocoll                                                              8 Albus

Von einer Proclamation und Copulation                                        1 Thaler

Von einer Kindtaufe                                                                     8 Albus

Bey  einer alten Leiche                                                                1 Thaler

Bey einer jungen Leiche                                                           2/3 Thaler

Von einer Parentation                                                               1/3 Thaler

Von einer Kirchenbuße abzunehmen                                            1 Thaler

Von einem unehelichen Kindt zu taufen                                        1 Thaler

Vor ein Gevatterzeugnis                                                           1/4 Thaler

Von 3 Güther Proclamationen                                                   2/3 Thaler

Von einer Hochzeit ein Schnupftuch, ein Huhn und ein Pfund Rindfleisch“.

„Kein Schulhaus ist alhier, desgleichen auch keine Schulgüther. Ein Schulmeister ist alhier, welcher aber nur die Jugend bis ins 10te Jahr informieret und bekombt davor von einem jeden Kindte jährl. 8 Albus, nebst dem benötigten Brennholz. Weil er auch die Sonntagsnachmittagspredigten alhier lesen muß 1 Thaler und ein Clafter Brennholz forstfrey.

Die Jugend von 10 Jahren alt bis zur Confirmation muß der Schulmeister bey der Mutterkirche in Eyterhagen informieren und bekombt an Besoldung von einem jeden Cathechum jährlich 16 Albus Schulgeld und von jedem Haus 3 Leibe Brodt, in gleichem an Accidentien:

Bey einer Copulation                                                    3 Albus  6 Heller

Bey einer Leiche                                                          3 Albus  6 Heller

Bey einer Kindtaufe                                                     3 Albus  6 Heller

Von einem Todten auszuläuten                                     2 Albus

Diese vier „Accidentien“ bekam der Schulmeister für die sogenannten niederen Kirchendienste.

Die nun folgenden Aufzeichnungen geben Auskunft über den Gemeindebesitz und die Nutzungsrechte im Herrschaftlichen Wald. Alle Hausbesitzer haben das Recht, die „Gemeindsgebräuche“, das heißt, die im Allgemeinbesitz befindlichen 1/4 Acker Wiesen, 2 5/8 Acker, 5 rth. Garten und die

3 1/3 Acker Huten und Buschholz zu nutzen und zwar zu gleichen Teilen.

Ihr Bauholz beziehen die Empfershäuser Einwohner aus dem „Kehrenbacher Forst“.

Zudem erhält ein jeder Bauer gegen Gebühr 3 Klafter Buchenholz als Brennholz, dagegen bekommt ein „Ködder“ nur 1 Klafter. (Ködder = Kleinbauern oder Tagelöhner)

Wenn die Bauern ihre Schweine zur Mast unter die Buchen und Eichen im Riedforst treiben, müssen sie die volle Mastgebühr bezahlen.

„Ihre Kühe dürfen sie auf den Melsunger und Eyterhagener Forst treiben, wechselnd alle 2 Tage und geben deshalb einem jeden derer 3 Riedförster 2 Steyge Eier. Doerfen auch mit ihren Schafen vorn in die Herrschaftl. Waldungen treiben, weshalb sie dem Melsunger Förster von jedem Pfirch (Pferch) ein Schlachtschaf jährlich geben.

Sie doerfen alhier Schafe halten 2 Pfirche von 230 Stück. Geben deshalb an Allergnädigste Herrschaft von jedem Pfirch 1 Trifthammel und 1 Lamm, desgleichen 20 Albus Käsegeld und von jedem Stück 6 Heller Triftgeld“.

Dass die Bauern Schafe halten konnten, ist nicht selbstverständlich. Dort wo es eine Herrschaftliche Schäferei gab, war den einzelnen Bauern die Schafhaltung untersagt. Das war zum Beispiel in Wagenfurth der Fall. Weil es dort einen „Schafhof“ gab, durfte kein anderer Bauer in Wagenfurth, Grebenau und Lobenhausen Schafe haben.

„Alhier finden sich 10 Bauernhöfe und 6 Ködderhäuser, ingleichen ein Gemeindshirtenhaus. Darinnen wohnen: 16 Männer, 15 Weiber, 21 Söhne, 21 Töchter, 9 Knechte und 9 Mägde. Darunter sind 10 Ackerleuthe, 2 Leineweber, 1 Ohley Müller (Ölmüller), 1 Taglöhner und 2 Kost. Und einer, so jetzo auswärtig die Schafe hütet.

Eines von den besten Häusern nebst zugehöriger Scheuer und Stallungen

Kostet alhier zu erbauen                                                           400 Thaler

Das mittelmäßige                                                                     200 Thaler

Das schlechteste                                                50 Thaler auch 40 Thaler.

Was die Miethe der Häuser betrifft, so ist noch niemals eines vermiethet worden, wann man aber die dabei gehörigen Güther vermeyert (verpachtet), könnte wohl das beste umb 40 Thaler vermiethet werden, das schlechteste Bauernhaus umb 15 Thaler und der Ködderhäuser eines umb 2 Thaler.

An Bediensteten findet sich ein Grebe und ein Dorfknecht alhier, welche die Herrschaftlichen Bestellungen (gemeint sind die Anordnungen) zu besorgen haben. Die Gemeindsbediensteten sind die Vorsteher, haben auch ein Ausschößer (Ausschussmitglied) und ein Nebenmann. Die meiste Nahrung alhier bestehet in dem Ackerbau.“

In Empfershausen gab es eine Ölmühle mit einem oberschlächtigen Rad; sie stand im Oberdorf. Aus Kirchenbüchern ist zu ersehen, dass sich diese Mühle über mehrere Generationen im Besitz einer Familie Löwer befand. Um 1740 hat der Müller keine großen Gewinne erzielen können, es wird berichtet: „dessen Profit ist gering und kann nicht höher bewertet werden als jährlich 6 – 8 Thaler“.

Als Grund für die schlechte wirtschaftliche Situation gibt der Schreiber an, es gäbe nur selten eine gute Bucheckernernte, Raps und Lein würden im Amt Melsungen nicht in einem ausreichenden Maße angebaut und der Müller habe nicht genügend Vermögen, um sich von „auswärtigen Orten“ Ölfrucht zu kaufen.

Im Dorf gibt es keine Wirtschaft, jedoch eine Branntweinblase von 16 Eimern.(Ein Eimer hat etwa 8 Liter) Sie wurde von dem damaligen Greben Valten Schmidt betrieben. Er musste die „gewöhnliche Concessiones und Accisegeld in die Rentherey Milsungen“ bezahlen. Die Gebühr war zu entrichten, „ob er nun brenne oder brenne nicht“. Nach seinen Angaben hat er jährlich die beachtliche Menge von etwa 9 Ohm Branntwein hergestellt (Ein Ohm = etwa 160 Liter).

Die nun folgenden Artikel im Lager-, Stück- und Steuerbuch befassen sich sehr ausführlich mit der Situation der Landwirtschaft. Hier kann ich diesen Bereich nur gekürzt wiedergeben.

„Hiesige Ländereyen so in 4 Feldern (Gemarkungsbereiche) als nehmlich das Cörlefeld, das Mühlenfeld, das Hosfeld und das Heydentriesch genannt, sind den Wollröder und Cörler gleich. Hänget meist an Bergen und weilen fast ringsherumb von den Herrschaftlichen und Riedeselschen Waldungen eingeschlossen, sind einige kalt und nass. Hingegen haben sie nicht allein gutes, sondern auch hinlängliches Gefütter ( reichlich Futter) und Wiesenwuchs, können deshalb viele Vieh halten; Füllen (Fohlen), Rinder und Stiere anziehen und verkaufen...“

Die Felder sind starkem Wildfraß ausgesetzt. Deshalb müssen Wildzäune errichtet werden.

Der Ackerboden ist von unterschiedlicher Qualität. Auf einem Acker werden zu der Zeit 5 Casseler Metzen Korn ausgesät. Auf dem besten Land erntet man 40 Garben, auf dem schlechtesten nur 15. Aus 60 Garben werden 2 Viertel, 8 Metzen Casseler Maß gedroschen.

Das Viertel hat ein Gewicht von 224 lbs (Pfund). Gerste sät man ebenfalls 5 Metzen auf einen Acker. Hier beträgt die Ernte etwa 36 Garben auf dem besten Boden. Auf den schlechtesten Böden wird nur Hafer ausgesät. Das beste Ackerland hat einen Wert von 40 Talern, das mittelmäßige von 25 – 20 Talern und das schlechteste 10 Taler. Die Wiesen haben einen höheren Wert, weil die meisten am Bach liegen und bewässert werden können. Ein Acker Wiese der besten Sorte wird mit 80 Talern bewertet, die mittelmäßige mit 50 Talern und die schlechteste mit 20 Talern. Die „Huten“ wurden bei dieser Berechung nicht berücksichtigt.

Die Feldfläche besteht in 448 3/8 Acker 9 rth. Land, in 169 1/4 Acker 21 1/2 rth. Wiesen und Gärten, sowie in 37 3/16 Acker 16 rth. Huten und Triescher. Obwohl im Text stets das Casselsche Maß angegeben wird, heißt es in der Dorfbeschreibung: „Alhier bedient man sich des Homberger Fruchtgemäßes. 4 Homberger Metzen = 5 Casselsche Metzen.“

Vielfältig waren die Abgaben und Dienste, die auf den Höfen und den Einwohnern lasteten. Eine Steuer, die wie es im Text heißt, „in Anrechnung ihrer guten Güther sehr wenig“ ist, musste an folgende Stellen abgeführt werden: An die Allergn. Herrschaft, den Pfarrer in Eiterhagen, an die hiesige Kirche, an die von Hundelshausen, die von Geiso nach Grebenau, die Kirche von Röhrenfurth „ein wenig“. Ein „zeitiger Landbereuther zu Milsungen“, diesen kann man mit einem berittenen Gendarmen vergleichen, erhielt von den Hufen 7 Metzen Korn. Wie zu jener Zeit üblich, musste auch die „10te Garbe an Allergnädigste Herrschaft“ abgeliefert werden.

In Empfershausen waren von den zehn Bauernhöfen nur 7 „dienstbar“, d.h. sie waren mit allen Abgaben und Diensten belastet. Drei Höfe waren nicht dienstbar, diese hatten wesentlich weniger Lasten zu tragen.

Nachfolgend werden die einzelnen „Dienste“ genannt: Gleich anderen dienstbaren Dörfern müssen Fahr- und Handdienste geleistet werden. Das zum Herrschaftlichen Vorwerk in Melsungen gehörende Land muß von allen Bauern, die im Amt leben, anteilig bestellt werden. Weil diese Äcker, Wiesen und Gärten aber an Melsunger Bürger verpachtet wurden, müssen die Empfershäuser anstelle der Arbeit eine Geldzahlung leisten.

Die Bauern hätten sich an den Transporten der Früchte aus den Herrschaftlichen Gütern Hersfeld, Vacha., Blankenheim und Morschen nach Kassel beteiligen müssen, weil diese Produkte aber mit dem Schiff auf der Fulda nach Kassel gebracht wurden, war eine Geldabgabe fällig. Zahlreiche Fahrdienste waren zu leisten. So mussten zum Beispiel die leeren Säcke, mit denen die Frucht auf den Schiffen nach Kassel gebracht wurde, mit Fuhrwerken wieder bis Morschen zurück gefahren werden. Bei „hohen Jagden“ war das „gefällete Wildpret“ und das Jagdzeug zu transportieren , dazu kamen Holzfuhren nach Melsungen und Kassel. Zu Jagdgehdiensten auf dem Kaufunger-, Crumbacher-, Melgershäuser- und dem Riedforst waren auch Empfershäuser Einwohner verpflichtet.

Schließlich wurden die Einwohner zu Hand- und Spanndiensten bei folgenden Leistungen herangezogen: Bei dem Bau und der Reparatur der Herrschaftlichen Mühle zu Körle und der Wag- und Schneidemühle zu Melsungen, beim Bau von Wegen, Brücken Landstraßen, zu Arbeiten an Herrschaftlichen Gutshäusern und Förstereien, schließlich auch zum Wasserbau.

Diese Dienste und Abgaben belasteten die Menschen damals sehr. Umso erstaunlicher ist es, dass es einige Empfershäuser Bauern zu einem gewissen Wohlstand gebracht haben. In einem Abschnitt der Dorfbeschreibung wird berichtet: „Auf dieser Gemeinde haften keine Schulden: Sonsten aber haben die meisten Bauern den Cörler Inwohnern auf Ländereyen Geldsummen dargeliehen“. Weil die Körler aus Armut, wie es heißt, die Gelder nicht zurückzahlen konnten, wurden die verpfändeten Felder von den Empfershäuser Bauern genutzt. Wenn ich das Wort Wohlstand gewählt habe, muss ich doch betonen, die Menschen haben damals in so bescheidenen Verhältnissen gelebt, dass wir unsere Auffassung von Reichtum und Wohlergehen nicht einfach übertragen können.

Zum Schluss der sogenannten Special – Vorbeschreibung wird noch berichtet, dass die „Civil- und Criminal iurisdiction“, also die Gerichtsbarkeit, der Allergnädigsten Herrschaft zusteht und dass es keine Leibeigenschaft hier gibt.

Verfasst von:
Heinz Rüdiger
1929 - 2019


Dieser Beitrag wurde eingestellt von: John-Mikel Reitzig
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