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Basaltwerk in Körle

Gemessen an den vielen Jahrhunderten der Dorfgeschichte war der Basaltabbau nur eine kurze Episode. Dennoch hat die Ausbeutung der Vorkommen an der Hüneburg nicht nur die Landschaft nachhaltig verändert, sondern auch die Dorfentwicklung positiv beeinflusst.

Nach dem Bau der ersten Eisenbahnstrecken und durch den zunehmenden Straßenverkehr ergab sich in Nordhessen eine starke Nachfrage nach qualitativ hochwertigem Baumaterial. So kam es, dass nach 1850, auch in vom Durchgangsverkehr abgelegenen Gebieten, Steinbrüche erschlossen wurden.

Der bei uns weit verbreitete Sandstein ist ein Sedimentgestein, d. h. er ist aus Sandablagerungen entstanden, die ihre Festigkeit erhielten, weil sie über Jahrtausende in der Erdkruste fest zusammengepresst wurden. Anders dagegen Basalt; er ist ein Eruptivgestein. Flüssiges Magma drang vor vielen Jahrtausenden aus dem glutheißen Erdinneren in die oberste Erdkruste, erkaltete hier und bildete in vielen Formen das Basaltgestein. Basalt kommt in unterschiedlichen Qualitäten vor. Von guter Qualität sind zum Beispiel die Vorkommen, die sich von Rhünda über den Heiligenberg, weiter dem Mülmischtal entlang, bis zum Meißner ziehen. Es ist leicht einzusehen, dass der Basalt wegen seiner unterschiedlichen Entstehungsgeschichte gegenüber dem Sandstein eine größere Härte und bessere Verwitterungsbeständigkeit aufweisen kann.

Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts begann die Firma Reinbold, die schon in Rhünda einen Steinbruch betrieb, an der Koppe im Bereich der Hüneburg mit der Erschließung des dortigen Vorkommens. In den ersten Jahren erzeugte man hauptsächlich Pflastersteine und Schrotten, die man als Packlage beim Straßenbau verwendete. Die Produkte wurden anfangs direkt von der Hüneburg auf Pferdewagen bis zum Melsunger Bahnhof gebracht. Ein sehr beschwerlicher Weg! Etwas Erleichterung brachte eine kleine Werkbahn (Bremsbahn), mit deren Hilfe man die Steine bis zum Michellehn, d. h. an die Straße von Empfershausen nach Eiterhagen, transportierte, erst hier wurden sie dann auf die Pferdewagen verladen.

 

Transportprobleme verhindern den Aufschwung

Der Standort des Betriebes war für eine Massenproduktion sehr ungünstig. Daher waren die Besitzer stark daran interessiert, vom Bahnhof Körle aus ihre Produkte zu versenden. Die Körler Gemeindeverwaltung hatte schon im Jahre 1897 den Antrag gestellt, eine Güterwagenverladestelle zu errichten, der Steinbruchbesitzer unterstützte den Antrag und er versprach der Bahn, ab Körle wesentlich mehr Material zu versenden als bisher von Melsungen aus. Die Reichsbahn lehnte ab. Erst als die Gemeinde Körle der Bahn 15.000 Reichsmark Zuschuss zu dem Bau eines Güterbahnhofes zusicherte, war die Bahnverwaltung bereit, die Anlagen für das Verladen von Steinen, von Holz aus den umliegenden Wäldern, von landwirtschaftlichen Produkten, usw. zu errichten. Es dauerte allerdings noch bis zum Jahre 1911, erst dann war die Güterverladung möglich.

 

Mit der Dampflok von Empfershausen nach Körle

Damit war die Voraussetzung für die Erweiterung der Produktion gegeben. Die Betriebsleitung ließ in den Jahren 1912/13 im Rüdewichsgraben (Riedbachtal) ein Schotterwerk errichten. Neben dem eigentlichen Brecher baute man noch eine Schmiede, eine Maschinenhalle und die Kantine. Über eine neu angelegte Bremsbahn brachte man das Steinmaterial vom Bruch bis zum Brecher. Nun war auch mit dem Pferdewagen der Transport nicht mehr zu bewältigen. Das Problem wurde 1914 mit dem Bau einer Feldbahn gelöst. Die Gleise hatten eine Spurweite von 600 mm. Eine kleine Dampflokomotive zog die Loren. Die Bahnlinie führte vom Brecher durch das Mülmischtal, entlang dem Riesenrain, bis zur B 83 und von dort der Straße entlang bis zur Bahnverladung.

 

Die CBI übernimmt das Werk

Im Jahre 1920 verkaufte die Firma C. Reinbold den Steinbruch und die gesamten Werksanlagen an die Basalt AG, Linz. Diese gründete noch im gleichen Jahr ein Tochterunternehmen, „Casseler Basalt – Industrie AG“. kurz „CBI“ genannt. Die Linzer Firma hatte in Nordhessen mehrere Steinbruchsbetriebe aufgekauft, die sie alle in der „CBI“ zusammenfasste.

Das neue Kasseler Unternehmen weitete die Produktion aus. Am Güterbahnhof Körle wurde viel investiert. Zuerst errichtete man ein großes Schotterwerk und eine Schlosserei. In den Jahren 1923/24 wurde die Werksanlage durch ein Kunststeinwerk erweitert.

 

Eine Seilbahn wird gebaut

Die kleine Feldbahn war nicht so leistungsfähig, sie konnte den großen Bedarf an Bruchsteinen nicht bewältigen. Deshalb hatte die Betriebsleitung schon während des Neubaus der Werksanlagen eine Seilbahn geplant, die das Rohmaterial direkt vom Steinbruch in die Körler Brecheranlage bringen sollte. Diese Seilbahn wurde 1924 in Betrieb genommen. Sie verlief auf direktem Wege über die Entfernung von 3,5 km. Etwa wo heute die Brücke der Schnellbahn verläuft, kreuzte sie die Mülmisch. Die hohen Stahlmasten bildeten auf der Strecke markante Punkte.

Mit der Aufnahme der Produktion in Körle war das Schotterwerk im Riedbachtal nun überflüssig geworden. Die Anlagen wurden gesprengt. Zwischen den Ruinen legte sich der Empfershäuser Schützenverein eine Schießanlage an, die bis zum Beginn des 2. Weltkrieges betrieben wurde. Heute findet man dort nur noch wenige Spuren des einstigen Schotterwerkes.

 

Zahlreiche Arbeitsplätze

Obwohl sich der Schwerpunkt nach Körle verlagert hatte, herrschte damals am Steinbruch eine rege Betriebsamkeit, die wir uns heute kaum vorstellen können. Etwa 200 Leute arbeiteten hier. Es waren überwiegend Steinrichter und Hilfskräfte. Steinrichter sind Facharbeiter, die nach ihrer Lehrzeit aus den ausgesucht plattigen Basaltsteinen Straßenpflaster, Kleinpflaster, Mosaikpflaster und Reihensteine herstellten (richteten). Für die 200 Beschäftigten gab es auf dem Gelände natürlich auch die notwendigen Einrichtungen wie Kantine, Maschinen- und Geräteschuppen, überdachte Arbeitsplätze für die Steinrichter usw.

 

Aufschwung im Dorf

Die positive Entwicklung brachte für die Dörfer rund um den Steinbruch einen wirtschaftlichen Aufschwung. In Empfershausen setzte eine seit langem nicht gekannte Bautätigkeit ein. Mehrere Neubauten wurden errichtet, vor allem aber wurden im Dorf viele Gebäude saniert und zum Teil auch durch Umbauten erweitert. In der Zeit von 1924 bis 1939 sind in Empfershausen neun Wohnhäuser gebaut worden. In einem Bericht vom April 1926 heißt es „Die Arbeitslosigkeit, welche in den meisten Ortschaften unseres Vaterlandes herrscht, merkt man nur dadurch, dass ab und zu durchwandernde Arbeitslose hier und da um Gaben bitten. Das Dorf selber hat keine Arbeitslosen, weil bisher der auf der nahen Koppe gelegene Basaltsteinbruch den ärmeren Leuten Arbeitsgelegenheiten gibt.“

 

Das Vorkommen ist ausgebeutet - Arbeitslosigkeit!

Basaltvorkommen sind jedoch nicht unerschöpflich. An der Hüneburgwiese musste in den Jahren 1926/27 eine neue Abbaustelle eingerichtet werden. Eine Feldbahn transportierte die Steine die kurze Distanz bis zu der Seilbahn. Mit dem Abraum wurde der größte Teil der Hüneburgwiese zugekippt. Man kann die Spuren der Abraumhalde heute noch im Landschaftsbild erkennen. Fatal für die Beschäftigten erwies es sich, dass gerade während der Weltwirtschaftskrise im Jahre 1929 die nutzbaren Vorkommen im Bereich der Hüneburg völlig erschöpft waren. In einem Bericht aus jener Zeit heißt es: „Für viele Einwohner unserer Gemeinde können die Jahre 1930/31 als Notjahre bezeichnet werden. Das Gespenst der Arbeitslosigkeit machte sich auch bei uns breit. Der Steinbruch an der Koppe war ausgebeutet und der Betrieb wurde stillgelegt. Am Ölberg vor Quentel ist ein neuer Steinbruch in Betrieb genommen worden. Von den Empfershäuser Arbeitern sind aber bis jetzt wenig eingestellt worden.“ Im Dorf zählte man anfangs der Dreißiger Jahre zeitweise mehr als 20 Arbeitslose.

 

Umstellung der Produktion

Obwohl mit der Verlegung des Steinbruchs zum Ölberg Empfershausen nur noch wenig mit dem Basaltabbau in Verbindung gebracht werden kann, soll auf die weitere Entwicklung des Unternehmens hier kurz eingegangen werden. Die Seilbahn wurde auf etwa 8 km bis zur neuen Abbaustelle verlängert. In der ersten Zeit erzeugte man am Ölberg etwa die gleichen Produkte wie bei der Hüneburg. Weil Basalt wegen seiner Glätte bei Regen für den Autoverkehr sehr gefährlich ist, wurde die Produktion von Pflastersteinen wegen mangelnden Absatzes bald eingestellt. Dagegen fanden die im Körler Kunststeinwerk hergestellten Erzeugnisse, die den Markennamen „Basaltin“ trugen, wegen ihrer hohen Festigkeit guten Absatz. Platten und Bordsteine sind bis Breslau, Berlin, Hamburg und Nürnberg geliefert worden. Im Jahre 1935 wurden in Körle an jedem Werktag ein Zug mit bis zu 50 Güterwagen beladen, das entspricht etwa einem Gewicht von 800 Tonnen. Neben Holz und einigen landwirtschaftlichen Produkten waren es überwiegend Produkte des Basaltwerks.

 

Die Seilbahn wird demontiert

Ab dem Jahr 1948 begann eine Entwicklung, die in der Firmengeschichte als „Hinwandern der Fertigung zum Vorkommen“ bezeichnet wird. Damals wurde eine Vorbrecheranlage am Ölberg aufgestellt. Das hatte den Vorteil, dass die Seilbahnloren besser beladen werden konnten. Aber auch die Steinfallgefahr wurde weitgehend eingeschränkt, denn die Seilbahnloren gerieten häufig ins Schwanken, wenn sie über die Schwellen der Stahlmasten liefen. Nicht selten kippten sie dann die Last auf der Strecke ab. Man hatte immer ein ungutes Gefühl, wenn man sich unterhalb der Seilbahn befand.

Nachdem das Körler Schotterwerk vollständig zum Bruch verlegt worden war, wurde der umweltfreundliche Seilbahnbetrieb im Jahre 1971 eingestellt und die Masten abgebaut. Von nun an fuhren schwere Lastzüge vom Ölberg durch Eiterhagen und Empfershausen zum Körler Basaltinwerk und zur Bahnverladung. Auch das Kunststeinwerk in Körle ist nicht erhalten geblieben. Die Produktion wurde zu Beginn der 80er Jahre ganz eingestellt. Der Transport, der am Ölberg erzeugten Güter, erfolgt überwiegend mit Lastkraftwagen direkt zum Kunden. Die Bahnverladestelle der CBI in Körle wird jedoch noch genutzt. Heute werden die Empfershäuser nur noch durch wenige Spuren in ihrer Gemarkung an die erstmals hektische Betriebsamkeit im Riedforst erinnert; so zum Beispiel durch die mittlerweile mit Gebüsch überwachsenen Ruinen der ehemaligen Werksanlagen und dem Grünen See.


Dieser Beitrag wurde eingestellt von: John-Mikel Reitzig
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