Die Kirchengemeinde Lobenhausen gehörte über die Jahrhunderte zum Kirchspiel Grebenau. Das Dörfchen Grebenau liegt etwa fünf Kilometer nördlich, ebenfalls am linken Ufer der Fulda. Am 20. August 1980 fasste der Kirchenvorstand den Beschluss, dem neu gegründeten Kirchspiel Körle beizutreten. Zu diesem Kirchspiel gehören noch außer der Kerngemeinde die ebenfalls nach Körle eingemeindeten Dörfer Empfershausen und Wagenfurth. Während man auf einen eigenen Ortsvorstand verzichtet hat, blieb die Kirchengemeinde Lobenhausen weiterhin selbständig.
Der neue Pfarrer und die Künstlerin
Weil die Pfarrstelle in Grebenau seit längerer Zeit verwaist war, übernahm Pfarrer Reinhard Heubner, der Pfarrer des Kirchspiels Körle, schon ab dem 1. April 1979, vorerst vertretungsweise, den Gottesdienst in Lobenhausen. In den vergangenen Jahrzehnten war das kirchliche Leben im Dorf ohne besondere Höhepunkte verlaufen.
Das sollte sich nun sehr schnell ändern.
Während eines Besuches bei einem befreundeten Arztehepaar hatte Pfarrer Heubner die Künstlerin Margret Knoop-Schellbach kennen gelernt, eine faszinierende Persönlichkeit, die es verstand, Menschen in ihren Bann zu ziehen. Sie schwärmte von ihrem Traum, einmal eine weiße Kirche auf der Höhe eines Berges ausschmücken zu können. War es Leichtsinn oder die stille Hoffnung, eine der kleinen Kirchen seines Kirchspiels könne bei solch einer Gelegenheit kostengünstig saniert werden? Jedenfalls sagte der Pfarrer, er habe drei kleine Kirchen. Schon am folgenden Sonntag stand Frau Knoop-Schellbach im Pfarrhause und wollte diese Kirchen sehen. Man fuhr nach Wagenfurth. Dort steht eine der ältesten Fachwerkkirchen Hessens. Weiter ging es nach Empfershausen. Die kleine Kirche wurde besichtigt und von der Künstlerin begutachtet; ohne Ergebnis. Schließlich trafen sich der Pfarrer und die Künstlerin mit Mitgliedern des Kirchenvorstandes in Lobenhausen.
Die Lobenhäuser Kirche ist aus heimischen Sandstein im Jahre 1799 errichtet worden. Es ist ein klassizistischer Hallenbau. Der Innenraum war zu jener Zeit, wie die meisten nordhessischen evangelisch- reformierten Kirchen, sehr schmucklos gehalten. Die Wände weiß getüncht, an der Vorderwand die Kanzel, davor der Altar. Auf der Empore an der Rückwand steht die Orgel. Die harten Holzbänke standen damals eng beieinander; sie waren fest verankert. Die Kirche hat keinen Turm. Das einzige Glöcklein hängt im Dachreiter.
Nachdem sie sich kurz im Raum umgesehen hatte, sagte Frau Knoop-Schellbach: „Die nehme ich!“. Dem Pfarrer war nicht gerade wohl zumute, der Kirchenvorstand skeptisch. Noch skeptischer waren die Dorfbewohner, als sie von der Absicht der Künstlerin hörten. Da kam eine unbekannte Malerin, auffällig gekleidet, die wollte Bilder in ihre Kirche malen! Das konnte nichts Gescheites geben!
Ein wunderbarer Wandel
Die Begabung, Menschen zu faszinieren, aber auch ihre Festigkeit im christlichen Glauben beeindruckten nicht nur den Kirchenvorstand, ließen auch die Ablehnung im Dorf allmählich schwinden, so dass man bald von den Ideen der Künstlerin überzeugt war. Nun galt es, den Widerstand der Behörden zu brechen. Der Dekan des Kirchenkreises zeigte sich aufgeschlossen, doch die ablehnende Haltung des Landeskirchenamtes und der Denkmalpflege schienen unüberwindlich. Durch den unermüdlichen Einsatz des Pfarrers und dem Verhandlungsgeschick des Vorsitzenden des Kirchenvorstandes, es handelt sich um den Eigentümer des Fliesenlegerbetriebes, konnte man schließlich den Behörden ein Zugeständnis abringen. Allerdings forderte die Denkmalpflege, „dass die strenge architektonische Fassung und Ordnung des Raumes mit Fensterteilung , Emporeneinbauten und Kanzel zu erhalten, und der lichte Raumcharakter mit heller Fensterverglasung mit lichter Farbigkeit ohne starke Kontraste zu wahren“ sei.
Das Landeskirchenamt verlangte, dass alle Objekte so gefertigt sein müssten, dass man sie jederzeit, ohne Schäden zu hinterlassen wieder entfernen könne. Zudem forderte das Amt, „die künstlerischen Arbeiten, die in die Kirche eingebracht werden, vor Ausführung zur Genehmigung vorzulegen“.
Bevor die Künstlerin mit ihren Arbeiten beginnen konnte, musste die Kirche saniert werden.
Jetzt erst zeigte sich, wie sehr sich die Einstellung der Bürger gegenüber dem Vorhaben von Frau Knoop-Schellbach geändert hatte. Pfarrer Heubner konnte nach dem Abschluss der Arbeiten an das Landeskirchenamt berichten: „Fast jedes Lobenhäuser Gemeindemitglied hat an der Neugestaltung mitgewirkt. Was immer nur möglich war, wurde in Eigenleistung geschaffen“. Während der Sanierungsarbeiten gelang es auch, den Behörden das Zugeständnis abzuringen, die alten Bänke durch Einzelstühle zu ersetzen. Eine umlaufende Bank musste jedoch eingebaut werden.
Ein Gesamtkunstwerk entsteht.
Im April 1981 konnte die Künstlerin endlich mit ihrer Arbeit beginnen. Sie war nicht allein nach Lobenhausen gekommen, Eine Gruppe junger Leute befand sich in ihrer Begleitung. Frau Knoop-Schellbach sprach von ihrer Bauhütte. Der Dekan des Kirchenkreises ermöglichte es, dass die Gruppe im zu der Zeit leer stehenden Pfarrhause in Grebenau untergebracht werden konnte.
Es erwies sich als besonders günstig, dass in der kleinen Helfergruppe die unterschiedlichsten Berufe vertreten waren. So arbeiteten zeitweise ein Zimmermann, ein Restaurator, ein Theatermaler auch ein Gospelsänger, Theologiestudenten und Schüler mit. Die unterschiedlichen Charaktere der Beteiligten machten es Frau Knoop-Schellbach nicht immer leicht, die Gruppe frei von größeren Spannungen und Zerwürfnissen zu halten. Allen gemeinsam war jedoch das Ziel, die Arbeiten zu einem guten Ende zu bringen und, was besonders hervorgehoben werden muss, der christliche Glaube.
Die Neugestaltung der Kirche ging zügig voran. Die Dorfbewohner, die mit erfreutem Staunen die Arbeiten verfolgten, waren begeistert. Sie unterstützten die Gruppe mit allerlei kleinen Dienstleistungen und vor allem mit Nahrung. Man lud zum Mittagessen ein und brachte Kaffee und Kuchen. Frau Knoop-Schellbach schaffte es auch, Frauen des Dorfes in die Arbeiten mit einzubeziehen. Für die umlaufende Bank wurden zahlreiche Kissen angefertigt, die mit Motiven aus Grimmschen Märchen bestickt worden sind. Auch die Altarsdecke wurde von Dorfbewohnerinnen angefertigt.
Die Gemälde, die der Kirche ihr besonderes Gepräge geben, entstanden in der Tradition der Ikonenmalerei; Aufbau und Farbgestaltung erinnern an den Expressionismus. Daneben findet man auch Hinter-Glas-Malerei. Diese Bilder enthalten Texte aus den Seligpreisungen. Auf Wunsch von Frau Knoop-Schellbach erhielt die Kirche unter Bezug auf diese Darstellungen den Namen: „Kirche der Seligpreisungen“.
Zur Einweihungsfeier am 22. November 1981 kamen auch viele Freunde der Künstlerin aus dem ganzen Bundesgebiet; darunter befanden sich mehrere Musiker. Die Gäste waren von dem Gesamteindruck begeistert, auch die Skeptiker aus der Landeskirche.