Vor etwa 200 Jahren gab es in vielen Orten unserer Gegend Branntweinbrennereien, damals auch „Branntweinblasen“ genannt. In den Jahren vor 1800 wurde der Alkohol vorwiegend aus Getreide gebrannt. Mit dem Aufkommen des Kartoffelanbaus war jedoch diese stärkehaltige Knolle das bevorzugte Ausgangsprodukt für die Schnapserzeugung, denn der Kartoffelschnaps war wesentlich billiger als der Kornbranntwein. Der Alkoholkonsum nahm damals bedenkliche Formen an. Am kurfürstlichen Hof in Kassel überlegte man ernsthaft, ob man wegen der vielen Auswüchse den Kartoffelanbau gänzlich verbieten solle. Man ließ diesen Gedanken aber bald wieder fallen, schließlich hatte man mit großer Überzeugungskraft den Anbau in den vergangenen Jahrzehnten erst eingeführt. Außerdem hatte auch damals der Staat schon das Monopol, das heißt, der Schnapskonsum ließ eine Menge Geld in die Kasse fließen. Welcher Politiker verzichtet wohl gern auf eine Steuerquelle? In diesem Punkte unterschieden sich die damaligen, für die Politik Verantwortlichen, wohl in keiner Weise von unseren heutigen Politikern.
Die Empfershäuser Branntweinblase bestand über lange Zeit. Schon im Jahre 1743 brannte der Empfershäuser Grebe Valten Schmidt Schnaps aus Getreide. Später wurde die Brennerei von der Familie Werner betrieben. Sie verarbeitete ebenfalls Getreide. Um 1790 wird von einem Branntweinbrenner und Ackermann Heinrich George Werner berichtet, um 1800 ist Valentin Werner der Branntweinbrenner und im Jahre 1820 betreibt George Werner die Anlage. Die Wernersche Branntweinbrennerei war relativ groß. Ähnliche Branntweinblasen gab es zu dieser Zeit im Bereich des Amtes Melsungen auch in Dagobertshausen, Elfershausen, in der Dömäne Fahre, in Guxhagen, Malsfeld und Wollrode. In Urkunden des Staatsarchivs Marburg sind Tabellen zur Branntweinsteuer erhalten geblieben, aus denen wir genaue Zahlen über die Empfershäuser Schnapsproduktion erfahren. Im Jahre 1820 wurden in Empfershausen 593 Viertel Getreide verarbeitet. Zu der Zeit hat man Getreide noch im Hohlmaß gemessen. Ein Homberger Viertel fasste etwa 200 Liter. Wenn man für 200 Liter Roggen etwa drei Zentner rechnet, sind in Empfershausen in einem Jahr 865 Doppelzentner Getreide zu Schnaps gebrannt worden.
Bei der Produktion hat man 697 Maß Kohle verheizt. (Ein Maß = 2 Liter) Erzeugt wurden aus der genannten Getreidemenge: 169 Ohm, 33 Maß Branntwein (1Ohm = 160 Liter), das sind demnach 27.106 Liter! Der nach dem Brennvorgang verbleibende Rückstand (Treber) wurde zur Viehmast verkauft. Die Empfershäuser Branntweinblase war im Dorf ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Die Jahresrechnung von 1820 weist für den verkauften Branntwein Einnahmen in Höhe von 4.152 Talern aus. Für den als Futter verkauften Rückstand erzielte Werner 847 Taler, insgesamt also Einnahmen in Höhe von 4.999 Talern. Nach dem Abzug aller Kosten verblieben dem Branntweinbrenner 455 Taler Reingewinn. Wann die Produktion des Branntweins eingestellt wurde, ist aus den Akten nicht zu erkennen.
Um das Jahr 1950 hat man bei Bauarbeiten noch Rohre aus Eichenholz gefunden durch die aus dem Riedbach Wasser zur Brennerei geleitet worden ist. Die Brennerei befand sich in dem heutigen Hof Koch. Nur ein großer Gewölbekeller ist von der Anlage erhalten geblieben. Aus heutiger Sicht kann man wohl kaum verstehen, weshalb so große Mengen Getreide zu Branntwein verarbeitet worden sind, obwohl wegen der geringen Ernteerträge und häufiger Missernten die Menschen oft unter Nahrungsmangel zu leiden hatten.
Verfasst von:
Heinz Rüdiger
1929 - 2019